Deutschland, mach‘ dich locker!

2015_11_18_visco

Die Europäische Zentralbank (EZB) kauft Staatsanleihen, um der Wirtschaft aus dem Tief zu holen. Schon auf der Sitzung am 22. Januar könnte sich die EZB zu diesem epochalen Schritt durchringen. „Quantitative Easing“ (QE) oder „Quantitative Lockerung“ nennt sich das. Während diese Methode für Deutschland neu ist, hat Italien viel Erfahrung damit. Ignazio Visco, der Gouverneur der Banca d’Italia, ist ein Befürworter von QE und versucht, den Deutschen die Ängste zu nehmen.

„Das ist ein Standard-Instrument der Geldpolitik“, sagt Visco im Interview mit der „Welt am Sonntag“ (Erscheinungsdatum 11. Januar). „Wir nennen das nur unkonventionell, weil es in Europa so lange nicht genutzt wurde.“ In Italien kaufte die Notenbank bis zu Beginn der 80er-Jahre Staatsanleihen auf. Dann folgte unter Schatzminister Beniamino Andreatta die „Scheidung“, „il divorzio“, zwischen Banca d’Italia und Schatzamt. Seitdem ist die Banca d’Italia unabhängig.

Quasi 35 Jahre später kehren die Staatsanleihenkäufe zurück. Der Grund: In Europa sind die Teuerungsraten extrem niedrig. Im Dezember fielen die Preise im Euro-Raum um 0,2 Prozent. Das bedeutet: Die Deflationsgefahr wächst, es drohen japanische Verhältnisse. Visco bezeichnet die Situation als „sehr kritisch“: „Die Menschen könnten sich immer weiter auf niedrige oder gar negative Inflationsraten einstellen.“ Das könnte sie dazu veranlassen, den Konsum und Investitionen weiter einzuschränken. Eine Abwärtsspirale droht.

Über den Effekt, die Risiken und Nebenwirkungen von QE wird fleißig gestritten. Theoretisch könnte der Staatsanleihenkauf über mehrere Kanäle wirken: über die Kreditvergabe der Banken, über den Wechselkurs und über den Anstieg der Vermögenspreise. Die EZB hofft, dass die Banken mehr Kredite vergeben, der Euro abwertet und der Aktienmarkt anzieht. All das zusammen käme einem Konjunkturpaket gleich.

Dass die EZB etwas unternimmt, gilt als ausgemacht. Visco erinnert an die Erwartungslage, die inzwischen entstanden sei. „Die Finanzmärkte haben ein QE-Programm in Europa schon in gewissem Maße eingepreist“, sagte er mit Blick auf die teilweise extrem niedrigen Renditen europäischer Staatsanleihen. „Wir müssen nun liefern.“

Das vollständige Interview (geführt zusammen mit Sebastian Jost) finden sie hier.

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