Der Frankentornado

2015_01_18_gottlieber

Hüppen heißt die Spezialität. Warme Crêpe, nicht dicker als 0,7 Millimeter. Einzeln gebacken und gerollt wie eine Havanna-Zigarre, gefüllt mit zarter Schokolade. Seit 1928 stellt die Firma Gottlieber im Schweizer Gottlieben am Bodensee an der Grenze zu Konstanz die Leckerei her. Für einen stolzen Preis: umgerechnet 0,70 bis 1,60 Euro das Stück.

Seit Donnerstagmorgen (15. Januar) ist die Hüppe für deutsche Feinschmecker noch um einiges teurer geworden. Ohne dass Gottlieber Geschäftsführer Dieter Bachmann, 42, dazu irgendetwas beigetragen hätte. Schuld daran ist der Wechselkurs. Die Schweizer Nationalbank (SNB) koppelte den Franken völlig unerwartet vom Euro los. Was folgte war ein Erdbeben an den Kapitalmärkten.

Der Frankenkurs schoss binnen Sekunden steil nach oben. Von 1,20 Franken je Euro auf zwischenzeitlich 0,85 Franken, um sich dann nahe der Parität einzupendeln. Die Aktien an der Schweizer Börse brachen ein und verzeichneten das größte Tagesminus seit 1989. „Schwarzer Donnerstag“ in Zürich. Der „Schweizer Hammer“ trieb mehrere Brokerhäuser in den Ruin.

Für die Schweizer Industrie, für die Finanzwirtschaft und für den Tourismus brechen harte Zeiten an. Ein starker Franken verteuert die Produkte und Dienstleistungen in der Schweiz. Die mögliche Folge: Die Absätze fallen, die Wirtschaft schmiert ab, Deflation zieht auf.

Der starke Franken trifft selbst Qualitätsanbieter wie Gottlieber, die ihren Umsatz hauptsächlich in der Schweiz erzielen. 85 Prozent der Erlöse des Süßwarenherstellers entfallen auf die Schweiz. „Es kann aber sein, dass wir auch indirekt den starken Schweizer Franken zu spüren bekommen. Unsere Hüppen werden von Firmen gerne als Weihnachtsgeschenk versandt. Wenn diese Firmen unter dem Wechselkurs leiden, bekommen wir das auch zu spüren“, sagt Geschäftsführer Bachmann. „Alles in allem ist es durchaus möglich, dass wir 10 bis 20 Prozent unserer Kunden verlieren.“

Um vom „Franken-Tornado“ nicht erfasst zu werden, steuert Bachmann um. Die Märkte Deutschland, Frankreich und Italien bearbeite er nicht mehr aktiv. „Selbstverständlich sind uns die Kunden dort wichtig, aber wir sagen uns: ‚Wer uns kennt, der kennt uns.‘ Stattdessen setzen wir auf Asien“, sagt Bachmann. In China, Dubai und Singapur sind die Schweizer schon präsent. Bald auch in Hongkong. Man könnte es so sagen: Nicht nur die SNB koppelt sich vom Euro und der Euro-Zone ab, sondern auch der Schweizer Mittelstand.

Die vollständige Geschichte lesen Sie in der „Welt am Sonntag“ (Erscheinungsdatum 18. Januar 2015).

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