Italiens Neue Rechte

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Italiens Politik ist zur Zeit eine One-Man-Show: Matteo Renzi. Der Sozialdemokrat hat keinen echten Gegner. Das Mitte-Rechts-Lager findet nicht statt. Silvio Berlusconi? In der Versenkung verschwunden. Berlusconis Ziehsohn Angelino Alfano? Nicht der Rede wert.

Nur ein einziger könnte Renzi gefährlich werden: Matteo Salvini. Der 41-jährige Mailänder hat die Lega Nord wieder zum Leben erweckt. Der Journalist hat die rechtskonservative Partei, die unter ihrem Frontmann Umberto Bossi für die Unabhängigkeit des reichen Nordens kämpfte, radikal verändert. Für Salvini steht der Feind nicht länger in Rom, sondern in Brüssel und Frankfurt. Salvini wettert gegen die EU, die Europäische Zentralbank und den Euro.

Die Verwandlung von einer Regionalpartei in eine nationale Anti-System-Partei, die sich stark an die französische Front National von Marine Le Pen orientiert, kommt beim Wähler an. Momentan werden der Lega Nord zwischen 10 und 15 Prozent zugetraut.

Das liegt mit daran, dass die Partei im früher verteufelten und verlachten Süden Zugkraft entfaltet. Hätte die Lega Nord im vergangenen Jahr 92 Prozent ihrer Stimmen im Norden und nur weniger als zwei Prozent südlich von Rom gesammelt, so mache der Norden inzwischen nur noch 62 Prozent, die Regionen südlich von Rom dafür aber 22 Prozent aus, schreibt das Wahlforschungsinstitut Cise der Römer Universität Luiss in einer Analyse.

Intellektuelles Futter für die Verwandlung der Lega Nord holt sich Salvini bei einer Denkfabrik, die noch wenige kennen: „Il Talebano“, auf deutsch „der Taliban“. Sie nennt sich so, weil sie „radikal“ und „gegen das System“ ist. Das System ist für sie die westliche, moderne Welt, die von der Finanzwelt beherrscht wird. Dem „Europa der Banken“ stellt sie das „Europa der Völker“ entgegen, dem Gemeinschaft, Tradition, regionale Herkunft und Familie wichtig sind.

Philosophisch verortet sich „Il Talebano“ im Kommunitarismus. Ein Leitstern ist unter anderem Alain De Benoist, ein französischer Publizist, der als maßgeblicher Vordenker der „Neuen Rechten“ in Frankreich gilt. Orientierungspunkte in Italien sind Massimo Fini, Pietrangelo Buttafuoco und Diego Fusaro. Wirtschaftlich ist alles noch recht vage und angestaubt. Beleg dafür: Salvini kramt die „Flat Tax“ oder Einheitssteuer aus der Mottenkiste hervor. Um erfolgreich zu sein, muss da noch mehr kommen.

Mein Porträt Salvinis, das in der „Welt“ erschienen ist, finden Sie hier.

Lesetipp: Der Nachwuchsjournalist Luca Steinmann hat vor kurzem das Buch „Vie Traverse“ veröffentlicht, in dem „Il Talebano“ gewürdigt wird.
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